Die verlorenen Worte

Sonne

die
Hauptwort
2021
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Ahd. sunna (8. Jh.), mhd. sunne, md. sonne: „der Erde Licht und Wärme spendender Himmelskörper“, auch „Tageslicht, östliche Himmelsgegend“, „Licht- und Kraftquelle für alles Leben“; häufiger Gebrauch in der sprichwörtlichen Redeweise, u.a.: „etwas kommt an die Sonne, zum Vorschein, wird offenbar, offenkundig“: „Kein Faden ist so rein gesponnen, der mit der Zeit nicht kommt an die Sonnen“; „jemandem in der Sonne stehen“: jemanden im übertragenen Sinne behindern, „in den Schatten stellen“; oder: „auch die Sonne hat ihre Flecken“, siehe folgendes Zitat: „Genug, wenn Fehler sich mit größerer Tugend decken; die Sonne zeugt das Licht und hat doch selber Flecken.“ (Albrecht Viktor Haller (1708–1777), schweiz. Mediziner, Arzt und Naturforscher) zahlreiche Wortbildungen mit Sonne, so z.B.: der Sonnenadel, Hauptwort: dichterisch für „edle Sonne“; das Sonnenblicklein, Hauptwort: „die Sonne lässt sich blicken“, für „Sonnenstrahl“; sonnenbegegnend, Eigenschaftswort: „der Sonne entgegen“, also nach Osten fließend; der Sonnenbecher, Hauptwort: „goldner becher, indem das gold als erstarrter sonnenstrahl gefaszt wird“; sonne(n)beglänzt, Eigenschaftswort, wie auch „mondbeglänzt“: von Sonne beschienen, „die sonnenbeglänzte Landschaft“, „der Rhein lag ebenso blau, sonnebeglänzt und lockend vor mir da, wie im vorigen jahre“ (Clemens Brentano); der Sonnengeist, Hauptwort: dichterisch, die belebende Wirkung der Sonne personifizieren:

„er öffnet ein fenster, schlürft und sauget den sonnengeist in sich hinein ... ihm ist als wehe im jungen morgen ein gott ihn an.“ (Christoph Martin Wieland (1733–1813), Dichter und Übersetzer zur Zeit der Aufklärung) „eben wie der veyelstein sich vernemen lesset, wenn nach einem meyreglein ein warmes sonneplicklein darauff sticht.“ (Johannes Mathesius (1504–1565), Pfarrer und Reformator) „von der Donau sonnebegegnendem strom, bis hin zu den baltischen wellen.“ (Brüder Christian zu Stolberg-Stolberg (1748–1821) und Friedrich Leopold Graf zu Stolberg (1750–1819), Dichter und Übersetzer, „Gesammelte Werke“, Bände 1-2, 1827) „mählich aus der wolke taucht neu hervor der sonnenadel.“ (Annette von Droste-Hülshoff (1797–1848), Schriftstellerin und Dichterin) „erhebt den blick, ihr zecher, und trinkt, dem lichte hold, aus goldnem sonnenbecher geschmolznes sonnengold.“ (Friedrich Johann Michael Rückert (1788–1866), Dichter, Sprachgelehrter und Übersetzer)

Zu finden in: Verlorene Worte