Die verlorenen Worte

Zufall

der
Hauptwort
2022
22-10

VERDREHTES WORT

Mhd. vor dem 14. Jhd., ursprünglich bedeutet dieses Wort „Zuwendung, Einnahme, Beifall, Zustimmung, Annahme, unerwartet etwas erhalten“. Zufall entstammt dem Tätigkeitswort zufallen, auch zuovallen, mit gleichen Bedeutungen.

Es wurde verwendet für Beschreibungen wie: „das, was jemandem zufließt, was mir zu Teil wird, mir zufällt“.

Nach dem 14. Jhd. wurde es mit dem lat. Wort „accidens, accidentis“ verbunden. Dadurch entstand eine gegenteilige Bedeutung zum Ursprung des Wortes Zufall. Ab diesem Zeitpunkt ist folgende Erklärung zu finden: „etwas Unvorhersehbares, von außen plötzlich Hinzukommendes, ein unerwartetes Ereignis, aber auch etwas, das jemandem zustößt“.

Die ehemalige positive Bedeutung des Wortes Zufall, die auch „etwas hinzubekommen“, „auf mich zukommen“ oder „mir in die Hände fallen“ bedeuten kann, hat sich komplett verdreht.

Wir verwenden dieses Wort in diesem falschen Sinne für Krankheiten, Unfälle sowie für Schicksalsschläge aller Art. Dadurch hat dieses anfänglich energetisch gute Wort Zufall seinen Zauber und seine Kraft verloren. Die Redensart „Was für ein Zufall!“, ist mit der geläufigen Nutzung nicht wirklich wahrhaftig und verhindert unsere wahre Schöpferkraft. Wir Menschen verursachen alles im Leben selbst – es gibt keine Zufälle!

 „Treffliche Künste dankt man der Not und dankt man dem Zufall,
Nur zur Wissenschaft hat keines von beiden geführt.“

(Friedrich Schiller (1759–1805), aus: „Die Quelle“, Sämtliche Werke, Band I, S. 306–307, München 1962)

 „Ich wußt’, ein König ist ein irrer Stern,
Und nur der Zufall regelt ihm die Bahnen –
Doch warnt’ ich vor dem Schweif, nicht vor dem Kern…“

(Georg Herwegh (1817–1875), aus: „Auch dies gehört dem König“, Herweghs Werke, Berlin und Weimar, 1967)

 „Gieb dich nicht hin dem irrigen Gedanken,
Daß du ein Spielball blinden Looses seist.
Befreie dich von deinen engen Schranken,
Und such nach ihm, der für dich Zufall heißt.“

(Karl May (1842–1912), aus: „Zufall“, Himmelsgedanken, Gedichte von Karl May, Freiburg i. Br., S. 214–215, 1900)

Zu finden in: Verlorene Worte