Die verlorenen Worte

Litha

die
Hauptwort
2022
24

Die Sommersonnenwende trägt in verschiedenen Kulturen unterschiedliche Namen, der geläufigste Name ist wohl Litha, bekannt sind aber auch Alban Hefin, Alban Eruin und Meán Samhraidh.

Litha entstammt dem Keltischen und bedeutet „Licht“. Ebenso wie im Germanischen bilden im Keltischen die Feste Litha und Jul den Jahreshöhepunkt und stehen sich im Jahreskreis gegenüber.

Meán Samhraidh ist die wörtliche Übersetzung ins Irische für „Mitte des Sommers“. Die Begriffe Alban Hefin und Alban Eruin sind aus der druidischen Tradition bekannt. Alban Hefin bedeutet „das Licht des Sommers“ und Alban Heruin „das Licht der Künste“. 

Verwechseln wir dieses Fest nicht mit dem kirchlichen Johannisfest, welches als christlicher Feiertag den Platz der Sommersonnenwende eingenommen hat. Orientieren wir uns an den alten Geschichten und Ritualen unserer Altvorderen.

Für unsere Ahnen galt die Sonne als weiblich. Erst später wurde die Darstellung dahingehend verfälscht, daß von einem Sonnengott namens „Baldur“ berichtet wurde, welcher in dieser Nacht ermordet wird. Besonders die germanischen Stämme verehrten die Sonne, eine weibliche Gottheit mit den Namen Sol, Sul oder Sunna. Es handelte sich um jene Zeit, in der die matriarchalischen Kulturen in der Blüte waren. Die Weiblichkeit wurde verehrt und die Frauen waren als Priesterinnen, Heilerinnen, Schamaninnen oder Kriegerinnen ein wichtiger Bestandteil der Gesellschaft. Zudem ist das Wort Sul auch im Wort Irminsul enthalten, einer kraftvollen Rune, die auch als „Weltensäule“, „Weltenbaum“, „Weltenesche“ oder unter der Bezeichnung Ygddrasil bekannt ist.

Die Sommersonnenwende (auch: Sommersonnwende), der Sommernafang, beginnt in vielen europäischen Kulturen am 21. Juni jeden Jahres und gibt Anlaß zu großen Feierlichkeiten. Die saftig grünen Blätter der Bäume betören uns mit ihrem Laubgesäusel. Die Fruchtbarkeit der Natur ist überall zu sehen. Die ersten Schmetterlinge flattern lieblich über das Bienenzuckerfeld, sanftselig von Blüte zu Blüte. Die Sonne entfaltet ihre kraftvollsten Energien und lädt uns zu diesem prächtigen Sonnenfest ein, das uns mit Neuanfang, Fruchtbarkeit, Leben und Wärme beschenkt, was für uns Menschen, die Tiere und die Pflanzen von lebensnotwendiger Wichtigkeit ist. Es ist die Zeit des Reifens, der Reinigung und des Loslassens. Die Göttin Litha beschenkt uns dazu reichlich mit purer Lebenskraft. 

Überall wird der längste Tag und die kürzeste Nacht gefeiert. Der Ursprung des uns heute noch bekannten Johannis- oder Sonnwendfeuers liegt weit zurück in vorchristlicher Vergangenheit. Zahlreiche Bräuche und Rituale stehen im Zeichen des Feuers. Auf Bergen und Anhöhen werden riesige Holztürme entzündet. Die Sommersonnenwende ist ein Fruchtbarkeitsfest für eine bevorstehende gute Ernte, ein Fest der Liebe – Verliebte springen Hand in Hand über das Feuer, um ihre Verbundenheit zu festigen –, auf dem man seinen Liebesschwur erneuern kann, sowie ein Fest für Glück, Gesundheit und alles Gedeihende im Allgemeinen. Vielerlei teils karmische Altlasten werden rituell dem Feuer übergeben und aufgelöst. 

Das Ende der Spargelzeit wird eingeleitet, denn das Spargelstechen endet an diesem Tag. Brennende Fackelräder symbolisieren das zyklische Jahresrad, wenn sie die Hänge hinabrollen. Es wird auch erzählt, daß um die Zeit der Mittsommernacht gesammeltes Johanniskraut starke Heilkräfte besitzt. Traditionell tragen die Weiber an diesem Tag selbstgeflochtene, selbstgesteckte Blumenkränze aus sieben verschiedenen Wiesenblumen. Diese werden anschließend unter das Kopfkissen gelegt, damit im Traum der zukünftige Ehemann erscheint. Die Litha ist eine magische, zauberhafte Nacht, in der ungewöhnliche Dinge geschehen können. 

Um diese ganz besondere Zeit des Jahreskreises ranken sich reichhaltige Sagen, Legenden und Mythen. Der Mittsommernacht wird auch nachgesagt, daß sich Elfen und Feen in dieser Nacht unter die Menschen gesellen und Spuren von Magie als „Feentau“ hinterlassen. Der auf der Sonnenseite stehende lichtbringende Eichenkönig, der über die erste Hälfte des Jahres herrscht, und der Stechpalmenkönig, der Herr des abnehmenden Lichts, die Verkörperung des Winters, stehen sich im ewigen Kampf gegenüber, welcher den Kreislauf des Jahres darstellt.

Bei den Kelten wird Litha als eines der wichtigsten Feste gefeiert, neben Ostara und Jul, welches über mehrere Tage zelebriert wird und der  „Epona“ geweiht wurde. Die Römer feiern die heilige Flamme der „Vesta“, die Griechen weihen das Sonnwendfest dem Gott der Landwirtschaft namens „Kronos“. In Skandinavien wird sich auf den Midsommer oder die weißen Nächte (in diesen Breitengraden wird es nicht dunkel) eingestimmt. In Schweden wird der Midsommardag meist mit Tanz und einem Mittsommer-Baum gefeiert. Das Johannisfest wird in Lettland, Estland und Finnland als Juhannus in Küstennähe gefeiert. Norwegen, Dänemark und die Färöer-Inseln feiern Sankt Hans, den Johannistag.

 

Lasst uns die spirituelle Kraft des Tages und der Nacht am 21. Juni 2022 zusammen für Folgendes nutzen:

  • Verborgenes ans Licht zu bringen.
  • Die Kraft für einen Umschwung nutzen.
  • Für die Verbindung und Aussöhnung mit unseren Altvorderen. 
  • Den Zugang zur Liebe, zur weiblichen Kraft, der mütterlichen Fürsorge entdecken.
  • Aus der Fülle leben, in Schönheit und (innerem) Reichtum.
  • Die Augen öffnen, um die Wahrheit zu erkennen.
  • Altes loslassen, Neues beginnen.

  

Zu der Sonnwend’ heil’gen Stunde
Haben tausend sich vereint;
Ernstes Wort geht in die Runde,
Sagt von Deutschlands schlimmstem Feind,
 

Von dem Geist der Selbstzerstörung,
Von der weltverbrüd’rung Wahn;
Und zu Mahnung und Beschwörung
Wächst das Wort des Redners an.
 

Und der hochgestimmten Menge
Auf dem Plan gedrängter Chor
Sendet brausende Gesänge
In die dunkle Nacht empor.
 

In des hohen Himmels Schweigen
Flammt das Sonnwendfeuer drauf;
Schwarm an Schwarm die Funken steigen
Knatternd aus dem Stoße auf.
 

Und ich sah die Flammen wehen,
All die flinken Funken sprüh’n;
Doch ich sah sie auch vergehen,
Sie in Nacht und Nichts entflieh’n.
 

Und mich überfiel ein Schauern,
Wankend ward mein froher Mut:
„Wird der Geister Hochflug dauern
Länger als des Feuers Glut?
 

Folgen heil’gem Schwur die Talent
Oder laßt ihr Volk und Reich
Schnöd’ verhandeln und verratend?“
Brüder! dieses frag’ ich euch!

 

(Fritz Boegner (1877–1953), „Sonnwende“, 1924)

Zu finden in: Verlorene Worte